Wissenschaftlicher Schreibstil auf Deutsch und Englisch


Deutsch und Englisch unterscheiden sich nicht nur in Sachen Vokabular, Rechtschreibung, Grammatik und vielen weiteren Punkten. Ein Punkt, den viele Leute unterschätzen, ist, dass sich auch der in der Wissenschaft gebräuchliche Sprachstil in beiden Sprachen massiv unterscheidet. Wer also meint, einen auf Deutsch verfassten Artikel einfach nur auf Englisch übersetzen zu müssen und ihn dann bei einer Fachzeitschrift zur Publikation einreichen kann, darf sich nicht wundern, wenn sie/er sich damit prompt eine Ablehnung einhandelt. Damit euch das in Zukunft nicht passiert, haben wir ein paar wertvolle Tipps gesammelt, wie ihr wissenschaftliche Texte erfolgreich auf Englisch verfasst.

Verben vs. Nomen

Wie in den meisten Sprachen, so ist auch im Englischen das Verb das zentrale Element eines Satzes. Die deutsche Sprache hingegen ist eine Sprache der Nomen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, haben wir doch die wunderbare Möglichkeit der zusammengesetzten Hauptwörter. Zielerreichungsgrad, Wertschöpfungsmaßnahmen und Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen – solche „Wortschöpfungsmoster“ werdet ihr im Englischen vergeblich suchen. Vielmehr werden solche komplexeren Begriffe auf Englisch häufig unter Verwendung eines Verbs ersetzt. „Unser Zielerreichungsgrad“ würde man im Englischen eher durch „the extent to which we achieved our goals“ umschreiben. Der Vorteil dabei ist, dass der Einsatz von Verben einen Text leichter lesbar macht – was im Gegensatz zur in akademischen Kreisen Deutschlands weit verbreiteten Meinung ein Vorteil ist.

Aktiv vs. Passiv

Falls ihr an der Uni gelernt habt, dass wissenschaftliche Texte möglichst im Passiv geschrieben werden sollen, dann löscht diese „Weisheit“ bitte ganz schnell aus eurem Gedächtnis. Dies mag die verstaubte Meinung deutscher Professoren älteren Semesters sein. Für englische wissenschaftliche Texte gilt dies nämlich keineswegs. Und Englisch ist nun mal in fast allen Fachbereichen die Wissenschaftssprache Nummer 1.

Es gibt einen einfach Trick, wie ihr euren „passiven“ deutschen Text in ein „aktives“ Englisch überträgt. Und zwar, macht einfach euch selbst oder den Text zum handelnden Akteur. Wir wollen das an drei Beispielen illustrieren.

Beispiel 1:

Deutsch: In dieser Arbeit werden die Vor- und Nachteile von X diskutiert.

Englisch: In this article, I will discuss the advantages and disadvantages of X.

Beispiel 2:

Deutsch: In dieser Studie werden die Auswirkungen von Y untersucht.

Englisch: This study explores the consequences of Y.

Beispiel 3:

Deutsch: Es muss angenommen werden, dass Z negativ ist.

Englisch: We must assume that Z is negative.

Einfach vs. kompliziert

In deutschen akademischen Kreisen hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass wissenschaftliche Texte möglichst kompliziert formuliert sein müssen. Um dieses Vorurteil zu bestätigen, reicht ein einfacher Blick in die deutschsprachige Fachliteratur. Die meisten native English-speaker (und ihr bitte auch!) halten sich grundsätzlich an die KISS-Regel: Keep it short and simple! Kurze und knackige Sätze werden nämlich auf Englisch nicht als Zeichen mangelnder Intelligenz oder Sprachfertigkeit gedeutet, sondern vielmehr als Zeichen von Klarheit und Überzeugung. Wer in der Lage ist, Sachverhalte einfach verständlich auf den Punkt zu bringen, die/der weiß offenbar, worüber sie/er schreibt und vermittelt ihre/seine Thesen dementsprechend überzeugend. Komplizierte oder gar blumige und poetische Sprache hat in wissenschaftlichem Englisch definitiv keinen Platz. Als einfache Faustregel könnt ihr euch merken, je mehr Fremdwörter ein Satz enthält, umso einfacher sollte der Satzaufbau sein.

Spannung vs. Langeweile

Ebenfalls weitverbreitet in der deutschsprachigen Fachliteratur ist die Meinung, dass sich eine wissenschaftliche Arbeit auf keinen Fall wie Belletristik lesen darf. Dabei muss das nicht so sein. Was spricht dagegen, einen wissenschaftlichen Artikel spannend zu formulieren? Dadurch wird er ja nicht gleich unwissenschaftlich. Erzählt also euren Lesern, warum das Thema eurer Arbeit spannend ist und sich das Lesen lohnt. Selbstverständlich bleibt der Inhalt das wichtigste an eurer Arbeit, aber der richtige Schreibstil hilft euch dabei, den Inhalt auch an den Leser zu bringen. Und für die/den schreibt ihr schließlich!

Geschlechtsneutral vs. nicht geschlechtsneutral

Die deutsche Sprache hat zwar den Vorteil, viele Hauptwörter in einer männlichen und weiblichen Form zu kennen. Dieser Vorteil kann in einer wissenschaftlichen Arbeit, die selbstverständlich möglichst geschlechtsneutral geschrieben sein sollte, jedoch schnell zum Nachteil werden. Zwar soll im Deutschen die männliche Form alle Personen miteinschließen. Trotzdem ist diese Variante nicht gerne gesehen und immer noch Gegenstand vieler Diskussionen (und folglich unterschiedlicher Schreibweisen).

Auf Englisch steht euch diesbezüglich eine sehr elegante Lösung zur Verfügung, die uns das Deutsche nicht bietet, nämlich die grundsätzlich geschlechtsneutrale Pluralform. Auf Englisch würdet ihr also nicht schreiben „A child’s ability to learn depends on his…“, sondern „Children’s ability to learn depends on their…“ Viele englische Begriffe lassen sich glücklicherweise auch geschlechtsneutral ausdrücken, z.B. „chairperson“ statt „chairman“ oder „members of Congress“ statt „Congressmen“.

Personalpronomen vs. keine

Bist vor kurzem war die Verwendung von Personalpronomen in wissenschaftlichen Texten sowohl im Deutschen als auch im Englischen verpönt. Diese Sichtweise ändert sich jedoch zunehmend und Personalpronomina werden auch im wissenschaftlichen Bereich mehr und mehr anerkannt. Die wissenschaftliche Akzeptanz und Verbreitung ist wahrscheinlich im englischen Sprachraum größer als auf Deutsch. Während ihr auf Englisch durchaus sagen könnt „In chapter 1, I will demonstrate…“, so werdet ihr auf Deutsch wahrscheinlich eher „In Kapital 1 wird aufgezeigt,…“ schreiben. Bitte achtet trotzdem darauf, dass auch in eurem englischen Text die Verwendung nicht ausufert und informiert euch im Vorfeld beim Betreuer eurer wissenschaftlichen Arbeit, wie sie/er es mit der Verwendung von Personalpronomina hält. Und noch ein Tipp: Auf Deutsch wird häufig das unpersönliche Pronomen „man“ verwendet. Bitte kommt nicht auf die Idee, „man“ in das englische „one“ zu übersetzen. „One“ darf die Queen sagen, hat aber nichts in einer wissenschaftlichen Arbeit verloren. Wenn ihr also sagen wollt, dass man verschiedene Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte, dann heißt das auf Englisch „We should consider various options“.

Indirektheit vs. Direktheit

Ob Englisch-Muttersprachler grundsätzlich weniger direkt sind als Deutschsprachige sei an dieser Stelle dahingestellt. Auf jeden Fall gilt dies für wissenschaftliches Schreiben auf Englisch. Denn eine im Englischen weit verbreitete Schreibstil-Taktik ist das sogenannte „Hedging“ (die Absicherung), bei der Behauptungen in ihrer Argumentationsweise möglichst vorsichtig formuliert werden, um sie weniger angreifbar zu machen. Auf Deutsch hingegen werden wissenschaftliche Behauptungen häufiger direkt und absolut formuliert. Wir wollen das an einem Beispiel verdeutlichen. Den deutschen Satz „Das vorliegende Forschungsprojekt zeigt, dass…“ würde eine native English-speaker auf Englisch nicht in dieser Absolutheit formulieren. Vielmehr würde sie/er wahrscheinlich „In this research project we hope to show…“ schreiben. Weitere typische Ausdrücke für Hedging sind „appears to“, „may have“ oder „would“.

Fazit

Wir hoffen, euch mit unseren Tipps das Schreiben der nächsten wissenschaftlichen Arbeit auf Englisch ein wenig erleichtert zu haben. Zu guter Letzt wollen wir euch noch den folgenden wichtigen praktischen Tipp mit auf den Weg geben: Die beste Vorbereitung auf das eigene Schreiben ist, herauszufinden, wie die Profis in eurem Fachgebiet schreiben! Nehmt euch die Zeit, ein paar Artikel von Wissenschaftlern unter die Lupe zu nehmen, die viel publizieren und einen guten Ruf haben. Analysiert, wie sie ihre Arbeiten strukturieren und formulieren. Und versucht, diesen fachspezifischen Schreibstil auch in eurer Arbeit umzusetzen.

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